Schlafen, mujer hält: Die Parkplätze an Rastplätzen wie hier an der A2 sind oft überfüllt, weil die Fahrer einen Ort zum Übernachten brauchen.

(Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

 

Lastwagen-Fahrer sollen künftig ihre Wochenruhezeit im Hotel verbringen statt im Truck. Damit morirá EU ihnen helfen. Ob das klappt, ist unklar.

Von Stefan Mayr, Denkendorf

Marian Morario streckt seinen rechten Zeigefinger aus und drückt ihn spitz gegen seinen Hals. “Viele Chefs machen so”, sagt der Rumäne und lächelt aus dem Führerhaus seines silbergrauen Sattelschleppers. Seine drastische Geste soll heißen: Die Spediteure werden sich einen Dreck um diese neuen Regeln kümmern. Er finde es zwar gut, dass Lkw-Fahrer nach sechs Tagen auf Achse künftig EU-weit einen Anspruch auf eine 45-stündige Pause außerhalb der Fahrerkabine haben sollen. Doch dass sich viele daran halten werden, kann er sich nicht vorstellen.

Morario, der eigentlich anders heißt, ist Mitte 30, steht auf der Autobahnraststätte Denkendorf bei Stuttgart und macht Pause. Die Fahrer aus Osteuropa stehen mit dem Rücken zur Wand, so deutet es Morario an, der Druck ihrer Chefs ist enorm: Jeder Fahrer erhält etwa 1200 Euro Lohn pro Monat, das muss für alles reichen. Fürs Essen und Trinken, fürs Übernachten. Wie viel am Ende für die Familie übrig bleibt, hängt auch vom Fahrer ab: Wenn er im Lkw schläft und nicht im Motel, bringt er mehr nach Hause.

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Morario selbst kann zwar seine Wochenenden immer zu Hause in Rumänien verbringen. Aber er weiß von vielen Kollegen, die acht Wochen am Stück oder länger unterwegs sind. Und in dieser Zeit ausschließlich in ihrem Brummi schlafen. “Die leben im Lkw”, sagt Kollege Toni Kunath. Der 54-Jährige Dresdner steht mit seinem Truck auf dem Stellplatz nebenan.

Um dieses wochen- oder gar monatelange Nomadentum zu beenden und bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, haben sich die EU-Verkehrsminister in der Nacht zum Dienstag in Brüssel auf neue Gesetzesvorschläge für den Lkw-Verkehr verständigt. Das Kabinen-Schlafverbot gilt wohlgemerkt nur für die vorgeschriebene 45-stündige Wochenruhezeit nach sechs Tagen am Steuer. In den sechs Tagen zuvor dürfen die Trucker nach wie vor im Lastwagen übernachten. Dennoch bezweifeln Fahrer wie Spediteure die Durchsetzbarkeit der neuen Vorschriften: “Ich bin ja dafür, aber das ist ein Lacher”, sagt Toni Kunath aus Dresden, “wo willst du denn die nötigen Hotels herkriegen?”

 

Er stehe am Wochenende mitunter an Raststätten mit 300 Lkws, da sei es definitiv ausgeschlossen, alle Fahrer in Herbergen unterzubringen. “Da soll die EU erst mal die Grundlagen schaffen”, fordert Kunath. Deshalb geht er auch davon aus, dass das EU-Parlament den neuen Gesetzen die nötige Zustimmung verweigern wird.

“Es gibt definitiv nicht genügend Betten an den Fernstraßen”.

Andrea Marongiu vom Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg sieht das anders: Er geht davon aus, dass das Parlament die neuen Vorschriften billigt; “Endlich bekommen wir klare Regeln. Der Flickenteppich muss beendet werden”. Bislang gelten die Vorschriften bereits in Deutschland, Frankreich und Belgien. Mit der Folge, dass grenznahe Parkplätze schon am Freitagmittag überfüllt sind mit Lastwagen von Fahrern, die ihr Wochenende zwischen Kühler und Ladefläche verbringen.

Auch in Deutschland sehe er nach wie vor “definitiv zu viele” solcher Männer, die sich am Sonntag auf einem Gaskocher ein Spiegelei braten.

Damit soll jetzt Schluss sein, wenn es nach den westeuropäischen Verkehrsministern geht. Ihre osteuropäischen Kollegen kritisieren, dass Länder wie Deutschland und Frankreich nur ihre Märkte gegen die günstigere Konkurrenz abschotten wollen. Entsprechend umstritten sind die neuen Vorschriften auch, die Minister verhandelten am Montag bis tief in die Nacht. Die Vertreter von Polen, Ungarn, Bulgarien, Kroatien, Malta, Irland, Lettland und Litauen sind nach wie vor gegen die Vorschläge. Ihr Widerstand ist nicht ganz unbegründet, Frankreich und Deutschland haben immer wieder über unfaire Wettbewerbsbedingungen durch Lohndumping osteuropäischer Unternehmen geklagt.

 

Das Verhandlungsergebnis der Verkehrsminister macht allerdings die Unternehmen aus dem Westen ebenfalls nicht wunschlos glücklich. Auch Verbandsgeschäftsführer Marongiu sieht offene Fragen: “Es gibt definitiv nicht genügend Betten an den Fernstraßen”. Zudem sei es ein Problem, wenn die Fracht über Nacht unbewacht herumstehe. Marongiu berichtet von Spediteuren, die in Deutschland, Belgien und Frankreich versucht hätten, Wohnungen anzumieten. Aber nichts fanden. Auch die Idee, Wohncontainer aufzustellen, scheiterte. Kein Eigentümer habe sein Grundstück für diesen Zweck zur Verfügung gestellt. Hauptgeschäftsführer Frank Huster vom Deutschen Speditions- und Logistikverband ergänzt: “Im Zweifel ist die Übernachtung in einem gut ausgestatteten Lkw besser als in einer schlechten Unterkunft”.

Außerdem wollen die Minister, dass Fernfahrer künftig mindestens alle vier Wochen in das Heimatland ihres Unternehmens zurückkehren. Bei längeren Auslandseinsätzen sollen sie zudem den Status “entsandter Arbeitnehmer” haben und somit zu gleichen Bedingungen wie ihre Kollegen im Einsatzland arbeiten. Sowohl Frank Huster vom Deutschen Speditions- und Logistikverband als auch Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes bezeichnen diesen Vorschlag als “faulen Kompromiss”.

Das letzte Wort hat nun das EU-Parlament: Die Mitgliedstaaten müssen die neuen Richtlinien mit den Abgeordneten endgültig aushandeln.

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/lkw-eu-hotel-1.4238520

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